Alltag

Du bist nicht allein!

Warum der Austausch mit anderen Betroffenen wichtig ist.

Ich weiß nicht, warum, aber früher war mein Bild einer Selbsthilfegruppe auf die Treffen von Weight Watchers, Anonymen Alkoholikern und Kriegsverteranen reduziert. Irgendwie ganz schön blöd von mir. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass ich selbst mal zu einer Selbsthilfegruppe gehören würde und den Austausch mit anderen Betroffenen, die in einer ähnlichen Situation stecken, suchen und schätzen würde. Aber seit wir die gesicherte Diagnose bzgl. Maries Taubheit bekommen haben, gehe ich immer wieder zu diesen Offenen Treffs. Marie war keine drei Monate auf der Welt als ich das erste Mal das Offene Treffen der Münchner Hörkinder besuchte. Ich hatte so viele Fragen, die besser im direkten Dialog mit anderen Eltern beantwortet werden konnten als über die sozialen Medien und Foren. Die Erfahrungsberichte aus erster Hand, die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen und etwas in offener Runde diskutieren zu können, geht im Real Life doch besser als im virtuellen Web. Und letztlich bekommt man die Bestätigung dafür, was man zwar schon weiß, sich aber oft nicht so anfühlt: Du bist nicht allein!

Andererseits machen mich diese Treffen auch immer ganz schön fertig. Schnell wird hier klar: Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Jeder Mensch, der mit einem im Stuhlkreis sitzt, hat seine eigene, individuelle Lebens- und mitunter eben auch Leidensgeschichte. Mich persönlich tröstet es überhaupt nicht zu sehen, dass „andere noch viel schlimmer dran sind als wir“ – ein gut gemeinter Satz, den wir von Freunden und Familie gerade zu Beginn von Maries Diagnose oft zu hören bekamen. Was nützt mir das Leid Anderer? Nichts, nichts und wieder nichts. Und darum geht es bei solchen Selbsthifegruppen auch überhaupt nicht. Hier wird nicht die eine Krankheit mit der anderen verglichen. Hier wird nicht geschaut, wem das Schicksal übler mitgespielt hat. Hier geht es darum, von den Erfahrungen der anderen etwas zu lernen, praktische Tipps auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. Es geht hier auch nicht darum, Freundschaften für’s Leben zu schließen. Nur weil Jemand zufällig in einer ähnlichen Situation ist wie ich, heißt das nicht, dass mir dieser Mensch sympathisch sein muss. Krankheit macht aus Niemandem einen besseren Menschen. Der Austausch erfolgt hier meiner Meinung nach auf einer anderen Ebene. Das Thema, um das es hier geht, ist klar definiert. Natürlich können darüber hinaus Freundschaften entstehen – wie in jedem anderen Lebensbereich ja auch. Aber ich persönlich merke auch, dass ich den Austausch mit anderen Eltern hörgeschädigter Kinder auch nicht immer brauche. Manchmal möchte ich einfach eine Zeit lang meine Ruhe haben von dem Thema.

Vergangenes Wochenende waren wir auf einem sehr schönen Familienwochenende auf einem Bauernhof, initiitert vom Bayerischen Cochlea Implantat Verband (BayCIV e.V.). Wir waren neun Familien, deren Kinder entweder mit Hörgeräten oder CIs versorgt waren. Das Schöne, an dem Wochenende war, dass der Spaß im Vordergrund stand – von Ponyreiten über Traktorfahren bis hin zu einer Bauernhof-Ralley war einiges geboten. Die zwischenmenschlichen Gespräche, der Austausch, fand wie nebenbei in einem zwanglosem Rahmen statt. Dadurch herrschte eine sehr lockere Atmosphäre und es musste kein Taschentuch zum Tränentrocknen gezückt werden (außer wegen eines aufgeschürften Knies). Und es ist nicht ausgeschlossen, dass hier tatsächlich die Grundlage für die ein oder andere Freundschaft geschlossen wurde…

Das nächste Treffen der Münchner Hörkinder findet übrigens kommenden Samstag, den 14. März um 16 Uhr in der Nymphenburger Str. 54 in München statt. Und auch hier steht der Spaß im Vordergrund – für Kinderbetreuung ist gesorgt!

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