Alltag

Wenn i mit dir tanz…

Wenn i mit dir tanz, dann vergeß i die Zeit…  Mir geht’s einfach guat und alle Sorgen san weit…

Yeah, Nickis Song aus dem Jahr 1986 ist auch im verrückten Corona-Jahr 2020 noch genau so gütig wie damals.

Marie tanzt ausgelassen mit ihrer besten Freundin. Stoppt die Musik, müssen sich die Mädels so schnell wie möglich auf den Boden setzen. Marie ist immer ein, zwei Sekunden langsamer. Sie beobachtet ihre Freundin ganz genau. Setzt diese sich hin, weiß sie, dass die Musik aus ist. Ich nehme stark an, dass sie es auch so irgenwann bemerkt, aber nicht sofort. Vielleicht ist sie auch so in ihrem Element, dem Tanzen, dass sie den plötzlichen Musikstopp nicht sofort bemerkt. „Stopp-Tanz ist eine prima Übung“ meint auch unsere Frühförderung als ich ihr von meinen Beobachtungen erzähle. Aber wegen der „Übung an sich“ fahren wir nicht seit neuestem jeden Freitag zum Kindertanzen. Wir machen das aus Spaß an der Freude. Es ist so wunderschön zu sehen, wieviel Spaß die beiden Mädels an der Musik und dem gemeinsamen Tanzen haben. Eifrig ahmen sie die Bewegungen der Tanzlehrerin nach, wackeln mit den Hüften, klatschen mit den Händen, stampfen mit den Füßen.

Als ich ein kleines Video, das ich während einer Choreografie gedreht hatte, meinem Vater, also Maries Opa schicke, schreibt er spontan zurück: „Wahnsinn – und das bei der Vorgeschichte!“ Erst da wird mir bewusst, dass das ja gar nicht selbstverständlich ist, dass Marie die Musik und den Rhythmus wahrnehmen und sich im Takt bewegen kann. Marie ist taub und kann nur dank Hörprothesen, so genannter Cochlea Implantate (CIs) hören, die sie im Alter von rund einem Jahr implantiert bekam. Damals war das für mich ein völlig neues Thema und die Welt der Gehörlosen und Implantat-Träger mir völlig fremd. Was habe ich mir Sorgen um mein Kind gemacht. Ich habe Marie isoliert gesehen,   befürchtet, dass sie als „dumm und taub“ abgestempelt werden würde. Und heute – rund vier Jahre später – hopst sie wie selbstverständlich durch den Tanzsaal. Ihre beste Freundin, die sie seit Krippenalter heiß und innig liebt, selbstverständlich an ihrer Seite.

Auch wenn sie Nicki (noch) nicht kennen, und der Song wahrscheinlich eher einen männlichen Adressaten hatte, für die beidenen Freundinnen im Tanzfieber – die eine eigentlich taub, die andere hörend- , gilt er auch so: Wenn i mit dir tanz, dann vergeß i die Zeit…  Mir geht’s einfach guat und alle Sorgen san weit…

 

 

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