Wenn das Kind bei der Anpassung des CIs keine erkennbaren Hörreaktionen macht, beim Hör- und Sprachtest Affe und Ast, Esel und Lesen nicht unterscheiden kann, auf der 1 1/2-ständigen Rückfahrt aber den Elsa-Song in voller Lautstärke schmettert…
Alle sechs Monate fahren wir zur Anpassung des CIs in’s Cochlea Implantat Centrum (CIC) in Straubing, am Institut für Hören (früher hieß das noch weniger politisch korrekt „Institut für Hörgeschädigte“). Wir nehmen den Weg von rund 1 1/2 Stunden einfacher Fahrzeit gerne in Kauf, weil wir uns hier sehr gut aufgehoben fühlen. Die nähere Alternative wäre das Münchner Kinderzentrum aus Großhadern, das zwar fachlich gut sein mag, uns aber zu unpersönlich, zu weit weg am Kind, zu wenig menschlich war. In Straubing geht es sehr familiär zu, die Familien frühstücken dort zusammen oder essen zusammen Mittag, die Eltern haben Gelegenheit sich auszutauschen während die Kinder spielen und sich an die Atmosphäre dort gewöhnen können. Man hat nicht um 10:45 Uhr einen Termin, zu dem das Kind performen muss, sondern hat entweder einen Vormittags- oder Nachmittagsslot, also einen Zeitraum, zu dem dann je nach Verfassung und Mitmach-Bereitschaft des Kindes die Einstellung des CIs vorgenommen wird, Hör- und Sprachtests erfolgen oder logopädische oder andere fördernde Therarpiemaßnahmen erfolgen.
Diese Flexibilität und auch diese Wohlfühlatmosphäre war mir von Anfang an sehr wichtig, denn ein Baby, Kleinkind oder auch ein älteres Kind, bringen nicht auf Knopfdruck Leistung, lassen sich nicht auf Kommando testen, noch dazu in einer ihnen fremden Umgebung mit fremden Menschen.
Marie kennt das CIC seit sie ein knappes Jahr jung ist. Am Anfang waren die Fahrten ziemlicher Horror, denn Marie hasste Autofahren und ich habe jedes Mal Blut und Wasser geschwitzt, die 3 Stunden auf der Autobahn mit permanent schreiendem Kind heil zu überstehen. Mittlerweile kriegen wir die Fahren ganz gut rum, zumal inzwischen auch ihr Bruder mitkommt und die Fahrt für Marie auch dadurch nicht mehr so langweilig ist. Auch ihr Bruder fährt dort gerne hin, denn es gibt viele tolle Spielräume und jede Menge Spielsachen zu entdecken.
Bei den Tests macht Marie zum Glück in der Regel ganz gut mit, sodass recht aussagekräftige Werte bzw. zuverlässige Ergebnisse herauskommen. Es ist wichtig, dass die CIs weder zu laut noch zu leise eingestellt sind. Wären sie zu laut, würde das Marie sehr weh tun – letztlich geht es hier um die Durchlässigkeit des Stroms – also dem Impuls, mit dem der Hörnerv stimuliert wird. Wären sie zu leise eingestellt, hätte Marie schlichtweg Probleme, im Alltag alles zu verstehen.
Heute hat es mit den zuverlässigen Ergebnissen nicht ganz so gut geklappt, da Marie etwas abgelenkt war und nicht ganz so super mitgemacht hat. Bei den Hör- und Sprachtests war ich doch etwas erschrocken, dass sie sich so schwer tut mit dem Hören. Hat sie manche Wörter wirklich nicht verstanden, nicht richtig gehört? Oder hatte sie nur keine richtige Lust auf den Test? Das ist nicht ganz einfach auszumachen. Das Testergebnis zeigte an, dass sie 54% der Wörter, die aus dem Lautsprecher kamen, richtig gehört und nachsprechen konnte. Versteht sie wirklich nur jedes zweite Wort? Im Alltag kommt mir das nicht so vor. Im Alltag hat sie aber zudem noch die visuelle Komponente wenn sie unterstützend die Wörter von den Lippen ablesen kann. Und sie kann, wenn sie einzelne Wörter akkustisch nicht versteht, den Sinnzusammenhang konstruieren, aus dem Kontext heraus folgern.
Das zeigt aber auch, welche enorme Leistung sie permanent erbringt. Da, wo wir „nebenbei“ zuhören, erfordert das bei einem Menschen mit Hörschädigung eine enorme Konzentration.
Hut ab, kleine Maus!
Umso schöner, nach diesen zweifelnden Erfahrungen auf der Rückfahrt wieder eine andere Seite präsentiert zu bekommen. Eineinhalb Stunden lautes Schmettern von der Rückbank „Ich lass los….lass jetzt loooss… ich schmeiß die Tüüüüüren zuuuuuu“ (der Soundtrack aus dem Elsa I Film) – da musste ich mir schon verkneifen, sie zu bitten, doch mal leise sein. 😉